»Wenn ich mich mit den Menschen unterhalten kann, ist das genauso wichtig.«

Heike Hertwig im Gespräch über ihre Arbeiten.

 

Fotografie – wie bist Du ursprünglich dazu gekommen?

Mit fünfzehn Jahren, also 1983 bin ich aus Suhl, einer beschaulichen Kleinstadt in Thüringen, nach Halle gezogen. Mit einer Spiegelreflexkamera, einer EXA 1a, begann ich die Stadt zu fotografieren. Man kann sich Halle vorstellen, wie es damals aussah: Es war grau, braun und viel war verfallen, die Luft war schlecht. Ich habe angefangen, die Stadt für mich zu entdecken, hatte die Kamera immer dabei und habe unmittelbar festgehalten, was ich sah. Ursprünglich interessierte mich immer der dokumentarische Aspekt der Fotografie. Beeindruckt haben mich Jacob Holdts »Bilder aus Amerika«, ich habe Gerda Taro und Robert Capa für mich entdeckt. Damals haben mich sicherlich vielmehr die Geschichten über sie und ihre Bilder fasziniert.

 

Du konntest nicht unmittelbar Fotografie studieren. Das stand nicht zur Auswahl…

Das hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht vorgehabt. Wenn ich etwas hätte studieren wollen, dann wären es Architektur oder Journalismus gewesen, aber das wollte ich in der DDR nicht. Ich wollte nicht für das »Neue Deutschland« (Parteizeitung der SED) schreiben, oder Plattenbauten projektieren, ist ja auch eher langweilig. Ich fing letztlich in einer Druckerei an und machte eine Ausbildung in der Druckvorstufe, was ich auch nie bereut habe. Es hat mir gefallen und war zur damaligen Zeit vorwiegend Dunkelkammerarbeit.

 

Dein Interesse heute – wie sieht das aus?

Mich interessiert immer noch, das festzuhalten, was ich in dem Moment, in dem Augenblick, sehe. Früher habe ich kaum Menschen fotografiert; das hat sich geändert. Heute interessieren mich die Menschen, aber ich muss nicht immer ein Foto machen. Wenn ich mich mit ihnen unterhalten kann, ist mir das genauso wichtig.

 

Deine Fotografien der letzten Jahre sind häufig in asiatischen Ländern, wie zum Beispiel Kambodscha, Vietnam oder Indien entstanden.

Nach 1989 war ich zunächst sehr viel in Europa unterwegs. Dann reiste ich mit einem Freund, der vorher bereits schon mal dort war, nach China und fand das ganz spannend. Wir sind mit dem Zug gereist, in verschiedene Städte im ganzen Land. Kurz danach war ich in Vietnam und mir fiel auf, wie unterschiedlich die Regionen jeweils in China, aber auch in Vietnam sind. Ich bin neugierig. Ich habe mich letztlich in Myanmar, Laos, Kambodscha irgendwie am wohlsten gefühlt. Reisen bringt mir einen großen Reichtum an Erfahrungen und Begegnungen. Man reflektiert über das Fremde und das reisende Ich, vor allem, wenn man allein reist.

 

Du arbeitest an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein als Leiterin der Werkstatt für Fotografie – beeinflusst das Deine fotografische Auseinandersetzung?

Ich denke, ich trenne das. Es gibt natürlich Überschneidungen, aber man muss auch aufpassen, dass man es nicht vermischt, weil sonst nicht mehr klar ist, was die eigentliche Arbeit ist. Ich versuche schon, meine Sachen rauszuhalten oder sehr zurückhaltend damit umzugehen. Aber von Erfahrungen anderer kann man ja auch profitieren. Das gilt immer für beide Seiten, also Studierende und uns. Frei von Einflüssen sind wir da sicher alle nicht.

Januar 2016, Das Gespräch führte Francis Hunger.